Warum Umweltschadstoffe unsere Gehirne verändern

Warum Umweltschadstoffe unsere Gehirne verändern

Umweltschadstoffe

„Wir werden immer dümmer“, meint der Anthropologe Edward Dutton. Denn der IQ nimmt ab – und Autismus und Verhaltensstörungen nehmen zu. Forscher sehen in Umweltschadstoffen wie Pflanzenschutzmitteln, Pestiziden und Co die Schuldigen.

Seit 20 Jahren nimmt der Intelligenzquotient (IQ) in Europa ab – und Autismus und Verhaltensstörungen zu. „Wir werden immer dümmer!“, erklärt der Anthropologe Edward Dutton in der neuen Arte-Dokumentation „Umwelthormone – Verlieren wir den Verstand?“ (Die Dokumentation könnt ihr unten im Video sehen)

„Wenn wir nichts dagegen unternehmen, wird sich die Zivilisation, die ja auf Intelligenz beruht, rückwärts entwickeln. Es gibt bereits Anzeichen dafür“, so der Forscher weiter.

ADHS und Autismus bei Kindern steigen

Doch nicht nur der sinkende IQ ist ein Problem. Immer mehr Kinder leiden an Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) oder sogar an Autismus.

So z. B. in Kalifornien, USA, wo die Zahl der mit Autismus diagnostizierten Kinder zwischen 1990 und 2001 um 600 Prozent zunahm. Auch in anderen Teilen der Vereinigten Staaten sieht die Situation ähnlich aus.

Gibt es eine Verbindung zwischen dem sinkenden IQ, Autismus und ADHS? Unabhängige Ärzte und Chemiker auf der ganzen Welt sagen eindeutig „Ja“.

Schiddrüsenhormone sind für Entwicklung des Gehirns beim Fötus essenziell

Bei ihren Untersuchungen konzentrieren sich die Forscher insbesondere auf ein Organ: die Schilddrüse. Ihre Hormone sind für die Entwicklung der menschlichen Gehirne notwendig – besonders für die Kinder im Mutterleib. Um richtig funktionieren zu können, braucht die Schilddrüse Jod.

Das Jod wird in der Schilddrüse fixiert und sorgt für die Produktion der Schiddrüsenhormone. Diese Hormone tragen drei bis vier Jod-Atome und sind für die Entwicklung des Gehirns beim Fötus essenziell.

Jodmangel bei Müttern – ADHS und niedrigerer IQ bei ihren Kindern

Um das genauer zu untersuchen, startete der italienische Arzt Francesco Vermiglio eine Studie. Er und sein Team untersuchten 2 Gruppen schwangerer Frauen auf Sizilien. Die eine Gruppe lebte an der Küste und ernährte sich somit Fisch- und Jodreich, während die andere Gruppe in abgeschiedenen Bergdörfern wohnte.

Bei der Beobachtung der Kinder von Müttern mit Jodmangel haben wir eine große Überraschung erlebt: Im Alter von 18-36 Monaten waren diese Kinder hyperaktiv. Nach 8-10 Jahre, als sie im Schulalter waren, haben wir sie wieder untersucht.

Tatsächlich hat sich bei 70 Prozent der Kinder von Müttern mit Jodmangel die Häufung der Diagnose bestätigt: Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität“, so Vermiglio.

Die Forscher entdeckten nicht nur das: Es gab im IQ zwischen den Kindern der Mütter mit dem größten Jodmangel und den Kindern der Mütter mit normalem Jodwert eine Differenz von mehreren Punkten. Der Jodwert der Mutter wirkt sich folglich auf den IQ ihres Kindes aus.

Körper kann Umweltschadstoffe mit Jod verwechseln

Doch der Jodmangel ist heute nicht das größte Problem für die kindliche Hirnentwicklung. Von einigen Chemikalien, die wir im Alltag benutzen, geht eine größere Gefahr aus: Fluoriden, Chlor und Brom.

Diese drei Substanzen haben eine ähnliche Struktur wie Jod, werden im Periodensystem der Chemie sogar in der gleichen Spalte geführt. Der Körper kann sie mit Jod verwechseln.

Dadurch kann das Hormonsystem des Körpers gestört werden, was besonders bei schwangeren Frauen eine verheerende Wirkung auf das Gehirn ihrer ungeborenen Kinder hat.

Die unsichtbare Gefahr im Alltag: Pflanzenschutzmitteln, Pestizide und Co

Fluor-, Brom- oder Chlorverbindungen sind in Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden zu finden. Man findet sie heutzutage praktisch in jedem Gegenstand um uns herum: Fernsehgeräte, Computer, Mobiltelefone, und auch in bestimmten Matrazen und Polstermöbeln, Kleidung, Sprays und auch in Babyprodukten und in unseren Lebensmitteln.

Besonders Pestizide seien gefährlich, denn sie wurden entwickelt, um Gehirnfunktionen lebender Organismen anzugreifen, meint die Chemikerin Irva Hertz-Picciotto.

Die Epidemiologin und Neuropsychologin Brenda Eskenazi untersuchte 600 schwangere Frauen und später ihre Kinder, um den Effekt der Pestizide auf die Gehirne der Kinder zu messen.

Wir haben abnorme Reflexe bei Neugeborenen festgestellt. Eine verzögerte geistige Entwicklung bei Zweijährigen. Einen verminderten IQ bei Siebenjährigen. Aber auch eine Zunahme von ADHS und von Problemen, die mit Autismus-ähnlichen Symptomen einhergehen“, so das Ergebnis der Studie.

Außerdem unterschied sich der IQ der Kinder der Mütter mit der höchsten und der niedrigsten Belastung um 7 Punkte. D.h., dass etwa 50 Prozent mehr Kinder in der Bevölkerung besondere Unterstützung bräuchten, fügt Eskenazi hinzu.

„Wir baden in einer chemischen Brühe“

„Wir wissen nicht, wie viele Stoffe sich negativ auf das Gehirn auswirken. Es könnten so viele Chemikalien sein, dagegen werden nur so wenige Tests durchgeführt, dass wir nicht wissen, wie viele Umweltchemikalien die Produktion von Schilddrüsenhormonen stören können“, meint die Biologin Barbara Demeneix.

Kosmetik, antibakterielle Seife, Waschmittel, Plastik, Anti-Haftbeschichtungen, Verpackungen… Die Liste geht endlos weiter. „Wir baden in einer chemischen Brühe“, so Demeneix.

IQ-Rückgang: Verheerende Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft

Doch wie wirkt sich der IQ-Rückgang auf die Gesellschaft und die Wirtschaft aus? Der New Yorker Kinderarzt Leonardo Trasande berechnete mit einem Team aus Wirtschaftswissenschaftlern und Statistikern die Kosten des IQ-Rückgangs für die Gesellschaft in den USA und in Europa.

In beiden Fällen sind die Summen enorm. Etwa 217 Milliarden Dollar in Europa und 340 Milliarden Dollar in den USA. Diese Kosten sind extrem hoch, dabei beziehen sie sich nur auf eine kleine Untergruppe aller existierenden Umwelthormone“, so Trasande.

Lobbyarbeit der Chemieindustrie

Die unabhängigen Chemiker versuchen ihre Forschungsergebnisse mit der Welt zu teilen und sie dadurch gesünder zu machen. Doch Lobbyisten machen ihnen das Leben schwer. Sie seien bereit, „Studien zu finanzieren, die jenen widersprechen, die ihnen ein Dorn im Auge sind“, heißt es in der Doku.

Genügend Jod in Bevölkerung – weniger negative Folgen durch Umwelthormone

Deswegen müsste die Bevölkerung sich selbst schützen – mit einer einfachen und billigen Maßnahme. „Wir müssen nur sicherstellen, dass die Frauen über genügend Jod verfügen, um für sich selbst und ihr Kind ausreichend Schilddrüsenhormone zu produzieren“, schlägt Demeneix vor. Das könnte die Auswirkungen von Umwelthormonen abmildern, schließt die Forscherin ab.



Quelle

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  • //pixabay.com/photos/industry-sunrise-air-pollution-1752876/
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