Nahrungsmittel und die zahlreichen Unverträglichkeiten – was steckt wirklich dahinter?

Nahrungsmittel und die zahlreichen Unverträglichkeiten – was steckt wirklich dahinter

Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Noch nicht lange sind Lebensmittel in den Regalen diverser Supermärkte fast immer mit Zusätzen wie „glutenfrei“ oder „laktosefrei“ versehen – früher fanden sich diese Kennzeichnungen fast nirgends.

So scheinen auch immer mehr Menschen unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten, bzw. Allergien oder Intoleranzen gegenüber bestimmten Speisen und Getränken zu leiden.

Im Hinblick auf die Gesundheit lohnt es daher die Frage zu stellen, ob die zahlreichen vermeintlichen Unverträglichkeiten tatsächlich ein akutes Gesundheitsproblem der modernen Zeit darstellen oder ob sie gar als eine Art wirtschaftlicher Motor für die Lebensmittelindustrie fungieren.

Nehmen Unverträglichkeiten in der Gesellschaft tatsächlich zu?

Anders als es die vielen Kennzeichnungen à la „frei von“ auf einem Großteil der Lebensmittel heutzutage suggerieren, haben die wenigsten Deutschen tatsächlich eine Unverträglichkeit oder gar eine Allergie gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln.

Die TK-Ernährungsstudie aus dem Jahr 2017 wies das unter anderem nach, indem sie 1200 Frauen und Männer ab 18 Jahren zu ihrem Essverhalten befragte. 82% der Befragten können nach eigenen Angaben essen, was immer sie wollen, sie haben keinerlei Unverträglichkeiten oder Allergien.

Allerdings ist die Aufmerksamkeit auf vor allem Gluten- und Laktoseintoleranz in den vergangenen Jahren auffallend gestiegen. Ganze sieben Prozent der Befragten gaben an, dass sie keinen Milchzucker vertragen. 2013 waren es fast nur halb so viele vermeintlich Betroffene. Woran kann das liegen?

Zum einen ist tatsächlich eine leichte Zunahme an Unverträglichkeiten, Allergien und entzündlichen Darmerkrankungen vor allem bei Menschen zwischen 20 und 30 Jahren zu verzeichnen.

Neben einer genetischen Disposition sind dafür vermutlich vor allem Umweltfaktoren, die moderne Ernährungsweise, Stress sowie die Lebenssituation der Betroffenen verantwortlich.

Auch ein Wohnortwechsel und eine damit nicht seltene Änderung des Ernährungsstils kann sich auch die Darmflora und auf die Entstehung von Erkrankungen auswirken. Darüber hinaus sind spezielle Diäten und besondere Ernährungsweisen bei Neigungen zu Unverträglichkeiten nicht selten kontraproduktiv.

Zum anderen dürfte auch die erhöhte mediale Aufmerksamkeit dazu beitragen, dass immer mehr Menschen meinen, etwa kein Gluten (Klebereiweiß) oder keine Laktose mehr zu vertragen.

Viele Lebensmittelhersteller nutzen diesen Umstand natürlich und kennzeichnen ihre Produkte mit großen „frei von-Aufdrucken“, um damit ängstliche und vorsichtige Konsumenten anzulocken.

Entstehen nach dem Konsum „herkömmlicher“ Produkte dann auch noch Beschwerden, glauben viele Menschen ebenfalls betroffen zu sein, vielleicht gar eine Allergie zu haben und greifen nur noch zu den gekennzeichneten Produkten.

Das Wissen darüber, dass es sich vielleicht nur um eine Pseudoallergie oder gar um Beschwerden aufgrund verdorbener Lebensmittel handeln kann ist entweder nicht vorhanden oder wird oft ignoriert, da gerne mit dem Schlimmsten gerechnet wird.

Die wichtigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien

Alle die jedoch wirklich mit starken und wiederholten Beschwerden beim Konsum bestimmter Lebensmittel zu kämpfen haben, sollten sich mit den wichtigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien in Grundzügen auskennen, um zunächst selbst die Ernährung umzustellen und zu beobachten, ob sich etwas verändert und um den Besuch eines Allergologen oder Arztes damit eventuell sogar zu vermeiden.

Zöliakie

Die Glutenintoleranz ist wohl die am heftigsten in den Medien kursierende Nahrungsmittelunverträglichkeit der letzten Jahre. Ihre mediale Aufmerksamkeit hat gar zu einer Art Anti-Gluten-Bewegung geführt, über die immer wieder heftig diskutiert wird.

Das mag unter anderem daran liegen, dass das Immunsystem der tatsächlich von Zöliakie Betroffenen auf Gluten auch wirklich heftig reagiert.

Denn Zöliakie ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (genauer eine Autoimmunerkrankung), bei welcher es entscheidend ist, vollkommen auf Gluten zu verzichten, um Beschwerden wie chronische Bauchschmerzen, Durchfälle und Blähungen, Untergewicht, Wachstumsstörungen, Verstopfung, Appetitlosigkeit, plötzlichen Gewichtsverlust, Gelenkbeschwerden und Müdigkeit zu vermeiden.

Wer eine genaue Zöliakie-Diagnose wünscht, muss sich auf eine Dünndarmspiegelung mit Entnahme einer Gewebeprobe einstellen. Vor der Untersuchung dürfen Betroffene auf Zöliakie nicht verzichten, da sonst keine aussagekräftige Auswertung der Untersuchung vorgenommen werden kann.

Die Laktose-Intoleranz

Die häufigste Intoleranz stellt die Laktose-Intoleranz dar. Ganze 15% der Bevölkerung leiden unter der auch als Milchzucker-Unverträglichkeit bekannten Erkrankung. Sie wird durch einen Mangel an Laktase hervorgerufen.

Dabei handelt es sich um ein Enzym, welches für die Aufspaltung des Kohlenhydrates der Milch, den Milchzucker, im Dünndarm zuständig ist. Wenn Laktase fehlt, bleibt der Milchzucker im Darm und beginnt dort zu gären, was zu Durchfall und Blähungen führt.

Allerdings muss eine Störung der Laktoseverwertung nicht immer einen vollständigen Verzicht auf alle Milchprodukte bedeuten.

In vielen Fällen ist die Verwertung von Milchzucker nur teilweise gestört; kleine Mengen werden dann häufig gut vertragen.

Wer bei sich Symptome nach dem Milchkonsum bemerkt, kann also zunächst versuchen, beispielsweise auf Trinkmilch zu verzichten, Käse aber weiterhin zu konsumieren.

Fruktose-Malabsorption

Bereiten einem ein Obstsalat oder einfach schon ein paar Apfelschnitze wiederholte und auffallende Probleme in Form von Blähungen, Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall, könnte eine Unverträglichkeit von Fruchtzucker vorliegen.

Ursache dieser Unverträglichkeit ist eine Störung des Fruchtzuckertransports im Dünndarm. Statt, dass der Fruchtzucker vollständig in die Blutbahn transportiert wird, bleibt er im Dickdarm zurück und wird dort auch abgebaut.

Sowohl bei einem Verdacht auf Laktose-, als auch auf Fruktose-Intoleranz kann eine ärztliche Diagnose über einen H2-Atemtest gestellt werden. Falls sich der Verdacht auf eine Intoleranz bestätigt, muss auch bei der Fruktose-Unverträglichkeit der Verzicht auf große Mengen Obst und Obstsäfte eingeschränkt werden. Auch auf Sorbit ist zu verzichten.

Histamin-Unverträglichkeit

Histamin ist ein natürlicher Botenstoff, der in vielen Lebensmitteln vorkommt. Wer Histamin nicht verträgt und an der sogenannten Histaminose, also an einer Histaminintoleranz, leidet, sollte seine Ernährung genau planen und überprüfen.

Denn beispielsweise Rotwein, Käse, einige Fischsorten und viele weitere Lebensmittel können schlimmstenfalls zu einer Reihe unterschiedlichster Symptome führen. Dazu gehören:

  • Hautrötungen
  • Juckreiz und Quaddelbildung
  • Übelkeit bis hin zu Erbrechen
  • Durchfall
  • Magenkrämpfen
  • Herzrasen
  • Schwindel
  • Empfindungsstörungen
  • laufende Nase
  • Asthma
  • Migräne und Kopfschmerzen

Ärzte gehen davon aus, dass bei einer Intoleranz gegenüber Histamin ein Ungleichgewicht zwischen der Bildung von Histamin, dessen Aufnahme und dem Abbau besteht. Zwei Bluttests in Kombination mit einer Diät können bei einem Verdacht auf Histaminose hilfreich sein. 

Auf alarmierende Anzeichen achten

Viele Menschen meiden heute Lebensmittel prophylaktisch, da sie sich vor potenziell allergenen Inhaltsstoffen fürchten.

Das allerdings ist nicht nur ein sinnloses, sondern nicht selten auch ein teures Verhalten, da glutenfreie Lebensmittel zum Beispiel oftmals aufwändiger zu produzieren sind und somit gegenüber vergleichbaren Produkten aus Weizenmehl ihren erhöhten Preis haben.

Auch zu laktosefreien Lebensmittel muss nicht gegriffen werden, wenn bisher keine Intoleranz bestand. Butter und Hartkäse sind außerdem sowieso so gut wie frei von Milchzucker.

Wichtiger ist es vielmehr auf wirklich alarmierende Anzeichen zu achten. In erster Linie gehören dazu länger anhaltende Verdauungsprobleme sowie Durchfall. Ab einer Dauer von 3 Monaten ohne Besserung sowie den wirklichen Alarmzeichen wie Gewichtsverlust oder Blut im Stuhl sollte ein Arzt eingeschaltet werden.

Übrigens treten die Beschwerden bei Unverträglichkeiten meistens nicht direkt nach dem Verzehr der jeweiligen Lebensmittel, sondern einige Stunden oder sogar erst einen Tag nach der Aufnahme der Nahrung auf. Bei Allergien dagegen zeigen sich die Symptome sehr viel schneller nach dem Kontakt mit dem entsprechenden Lebensmittel.

 Mit echten Unverträglichkeiten angemessen umgehen

Bevor ein Arzt konsultiert wird und falls eine ernsthafte Chance auf eine Unverträglichkeit besteht, kann zunächst eine sogenannte Eliminationsdiät durchgeführt werden.

Dabei kann entweder alleine oder aber auch mit einer Diätologin oder einem Diätologen ein Ernährungsplan erarbeitet werden.

Er dient dazu über einen längeren Zeitraum auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten und herauszufinden, durch welche Lebensmittel Symptome verursacht werden.

Prinzipiell abzuraten ist von ungezielten Screening-Tests und IgG4-Tests, da ein bei ihnen festgestellter positiver Wert noch keinen Rückschluss auf eine Pathologie erlaubt. Stattdessen werden Patienten durch derlei Tests nicht selten stark verunsichert.

Diese Verunsicherung wiederum führt häufig zu weiterer fragwürdiger Diagnostik und zu teuren Therapieversuchen. Auch eine Bestimmung der Zusammensetzung und Diversität der Darmflora hat momentan noch keine Relevanz für die klinische Diagnostik.

Die Darmbesiedelung jedes Menschen ist einzigartig und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Deshalb wird es wohl auch nie ein Allheilmittel gegen Unverträglichkeiten geben.

Sich einseitig zu ernähren und spezielle Diäten einzuhalten ist häufig keine gesunde Lösung.

Stattdessen sind eine gezielte Diagnostik auf Grundlage der Symptome sowie im Extremfall ein ärztliches Gespräch, eine ausreichende Beschäftigung mit den Möglichkeiten der richtigen Methode und ein Herantasten an eine verträgliche Ernährungsweise der einzig dauerhaft erfolgversprechende Weg.

Was sind Kreuzreaktionen?

Sogenannte Kreuzreaktionen treten in einigen Fällen von Nahrungsmittelallergien auf. Sie sind deshalb so gefährlich, weil viele Menschen mit ihnen nicht rechnen, bzw. an diese nicht denken. Denn wer würde schon denken, dass Birkenpollenallergiker häufig auch keine Äpfel vertragen?

Wer weiß, dass er gegen bestimmte Dinge allergisch ist, sollte deshalb auch die möglichen Kreuzreaktionen kennen. Die häufigsten Allergengemeinschaften sind die Folgenden:

Birke

  • Erle, Hasel, Haselnuss
  • Apfel, Aprikose, Kirsche, Pfirsich
  • Erdbeere, Soja, Erdnuss

Gräser

  • Getreide, Getreidemehle
  • Erbse, Erdnuss, Soja

Beifuß

  • Gewürze
  • Sellerie, Sonnenblumenkerne
  • Wermut, Arnika
  • Artischocke, Kamille
  • Löwenzahn, Sonnenblume u.a.

Bildquellen

  • #1: planet360.info
  • #2: dpchas.com
  • #3: Photographee.eu (#203916557)
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